Die Leistungssteigerung im Pflanzenbau und die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Landwirtschaft wirkten sich positiv auch für die Saatgutvermehrung aus. Wegen der anfangs niedrigen Natural- und Saatguterträge und der hohen Aberkennungsquoten brauchte man in den 50er Jahren einen Anteil von 8-9 % der Getreidefläche für die Saatgutproduktion, heute sind es nur noch 3-5 %.
Die Umstrukturierungen im Pflanzenbau wirkten sich unterschiedlich auf die Vermehrung der einzelnen Fruchtartengruppen aus, wie die nachfolgenden Darstellungen anhand 5-jähriger Durchschnittswerte erkennen lassen.

gibt einen generellen Überblick über den Umfang der Vermehrungen der Getreidearten und der übrigen Fruchtarten.
  • Dominanz der Getreidevermehrung (zeitweise mehr als 90 %).

  • Ziemlich konstante Wintergetreidevermehrung mit rd. 25.000 ha bis Ende der 80er Jahr,

      seitdem starker Rückgang durch Anpassung an den Bedarf und Verlagerung der
      Produktion in andere Gebiete,

  •  Anstieg der Sommergetreidevermehrung auf knapp 20.000 ha bis Mitte der 60er Jahre,

      danach kontinuierlicher Rückgang,

  •  Vermehrung der übrigen Fruchtarten ziemlich konstant bei 5.000 ha, Anstieg seit Ende der 80er Jahre.
 
Die scheinbare Konstanz der Vermehrung löst sich bei der Betrachtung der einzelnen Getreidearten in sehr unterschiedliche Entwicklungslinien auf. In ihnen kommt die Dynamik der Veränderungen in der Pflanzenproduktion der letzten 50 Jahre zum Ausdruck, besonders mit Blick auf die Wintergetreidearten
  • kontinuierlicher Rückgang der Roggenvermehrung seit 1956/1960, teils auch wegen der Verlagerung der Hybridroggenvermehrung in andere Gebiete;

  • kontinuierlicher Anstieg der Wintergerstenvermehrung bis 1981/1985. dann Rückgang parallel zur Entwicklung im Konsumanbau;

  • Anstieg der Winterweizenvermehrung parallel zur Wintergerstenvermehrung bis 1966/1970, danach    ziemliche Konstanz bis 1991/1995;

  • Wintertriticale tritt seit Ende der 80er Jahr stärker in Erscheinung.

Was diese „idealisierten" Kurven nicht erkennen lassen, sind die immer wieder einmal aufgetretenen Witterungsextreme mit ihren gravierenden Beeinträchtigungen von Erzeugung und Vermarktung beispielsweise
  • Auswinterungen in den Vegetationsperioden 1953/1954 (bei Wintergerste 95 %!), in 1961/1962 und in 1981/1982 (Behelfssaatgut-Problematik bei Sommerweizen im Jahre 1982;

  • Ernteeinbußen durch Dürreschäden wie 1959 und 1971 (Nordhannover);

  • Länger anhaltende Regenperioden während der Ernte besonders Mitte der 50er Jahre (4 Jahre nacheinander!) und in der 1. Hälfte der 60er Jahre. Wir brauchen heute keine Stiegen mehr umzustellen, was damals den Auswuchs dennoch nicht verhinderte. Beispielsweise wurden 1961 von den Proben, die überhaupt eingesandt wurden, bei Wintergerste 31 %, bei Winterroggen 47 % und bei Winterweizen 29 % aberkannt. In diesen Jahren erlebte der Bau von Trocknungsanlagen speziell auch für die Saatgutproduktion einen enormen Aufschwung.

Die Vermehrung der übrigen Fruchtartengruppen unterlag stärker den produktionstechnischen und agrarpolitischen Einflüssen

 

  • wer erinnert sich noch an 3.800 ha Rübensamenvermehrung im Kammergebiet Hannover in den 50er Jahren? Zur Samenträgerfläche kamen noch 600 - 750 ha Stecklingsanzucht hinzu. Beide Teilbereiche waren sehr arbeitsaufwändig und risikobelastet. Die Produktion ging innerhalb von 10 Jahren auf 300 ha zurück (qualitätsbedingte Verlagerung der Produktion in das Ausland);

  • wechselnde Entwicklungen bei den Öl- und Faserpflanzen sowie bei den großkörnigen Leguminosen;

  • zunehmende Bedeutung der Grasamenvermehrung, Anstieg von anfangs 1.000 ha über 3.000 ha (1966-1980) auf jetzt knapp 6.000 ha. Ausschlaggebend war der Bau spezieller Aufbereitungsbetriebe in unserem Gebiet durch die DSV Lippstadt.

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